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Bibelschwurbel und Bibelkritik. Teil 3: Der Faktencheck

Die Diskussion um Corona-Verschwörungstheorien hat eines deutlich gemacht. Immer wieder muss man geduldig den Fakten-Check machen.

Natürlich bekommt man irgendwann ein Gespür dafür, welche Quellen seriös und welche dubios sind. Aber das allein kann nicht der Grund sein, das was sie sagen, von vornherein abzulehnen.

Man muss sich die Mühe machen, die Fakten zu prüfen. Das ist in manchen Fällen sehr einfach, weil man Fakten mit Fotos, Dokumenten oder Videoaufnahmen nachweisen kann. In manchen Fällen ist es schwieriger, wenn es zum Beispiel um private Gespräche geht oder um Informationen, die nicht öffentlich zugänglich sind.

In unserem Fall, der Frage nach Jesus und der Hölle, ist das einfacher.

Die Frage, ob Jesus im Neuen Testament Menschen mit der Hölle droht, lässt sich sehr einfach überprüfen, weil es überall auf der Welt Neue Testamente gibt, in denen das nachgeprüft werden kann. Viele Christen, die Bibelschwurbelei betreiben oder Bibelschwurblern folgen, machen sich allerdings leider nicht einmal mehr diese Mühe, ihre eigene Bibel aufzuschlagen und nachzuschauen ob das, was da behauptet wird, auch wirklich da steht.

Ich habe es in der letzten Zeit immer häufiger erlebt, dass Prediger sich sogar Bibeltexte ausdenken, erfinden oder kreativ umgestalten, damit sie zu ihrer Botschaft passen. Das funktioniert, weil kaum mehr jemand im Originaltext nachschaut.

In diesem Fall bestreitet ja aber zum Glück niemand, dass Jesus im Neuen Testament mehrfach mit der Hölle droht. Sondern es geht um die Frage, ob mit dieser „Hölle“ die Müllhalde von Jerusalem gemeint war, und nicht, wie man bisher immer dachte, ein jenseitiger Ort der Strafe, an den die bösen und ungerechten Menschen nach ihrem Tod kommen.

Aber wie macht man einen seriösen Faktencheck bei Bibeltexten? Klar, was dasteht, das kann man schnell selbst nachblättern: Ja, es steht wirklich Hölle da. Und ja, es ist oft eine Drohung (Mt 5,22.29-30; Mt 10,28; Mt 18,9; Mt 23,15.33; Mk 9,43.45.47; Lk 12,5; Jak 3,6).

Aber: Im nächsten Schritt geht es nicht mehr nur um das, was dasteht. Sondern um das, was damit gemeint ist. Also um das, was in den Köpfen derer vorging, die da reden und die es hören oder lesen. Woran dachten die Leser des Neuen Testaments, wenn sie hörten, dass Jesus mit der Hölle droht? Dachten sie an die Müllhalde von Jerusalem oder an den Ort der ewigen Strafe nach dem Tod?

Hier beginnt die mühsame historische Forschung. Der Bibelschwurbler sagt zunächst: Das ist ganz klar, jeder wusste, dass die Müllhalde gemeint war. Wenn man dem Bibelschwurbler dann aber widerspricht und darauf hinweist, dass die gesamte kritische Forschung etwas anderes sagt, dann antwortet der Bibelschwurbler: Das ist alles Ansichtssache. Hier geht es ja nicht um Fakten, sondern um Deutungen. Da hat jeder seine eigene Brille.

Das ist mühsam und das tägliche Brot des Tagesschau-Faktenchecks oder solcher Internetportale wie mimikama.at

In der kritischen Bibelforschung prüft man die Bedeutung von Worten, zum Beispiel die des Wortes Hölle, indem man alle antiken Texte durchforstet, in denen es vorkommt. Auch Texte außerhalb der Bibel, griechische und hebräische und aramäische Texte. Man versucht nachzuvollziehen, wie sich die Bedeutung eines Wortes im Lauf der Jahrhunderte gewandelt hat und welche Bilder und Vorstellungen in unterschiedlichen Kulturen mit dem Wort verbunden waren. Die Ergebnisse landen dann in Fachbüchern und Lexika, und man kann sie dort nachlesen.

Manchmal müssen die Fachbücher und Lexika auch nach 20 oder 30 Jahren revidiert werden, weil es neue Erkenntnisse gibt oder neue Deutungen von Worten. Das kann passieren.

Im Fall der „Hölle“ gibt es tatsächlich Bücher über Bücher und Lexika über Lexika, in denen die Wortbedeutung seit über 100 Jahren erforscht und zusammengetragen wird. In keinem davon findet sich die Idee, dass Jesus mit „Hölle“ die Müllhalde von Jerusalem meinte.

Hier ist leider nicht der Platz, das ausführlich anhand von Originaltexten nachzuweisen. Für einen kurzen Faktencheck verweise ich auf das Internetportal „Bibelwissenschaft.de“ von der deutschen Bibelgesellschaft. Das ist so etwas wie der „Dr. Drosten“ in der Bibelforschung. Nicht alles, was da steht, ist unbedingt richtig. Aber es bildet sehr zuverlässig den breiten Konsens der aktuellen kritischen Bibelforschung ab.

Ich fasse nur kurz zusammen, was dort über das Wort „Hölle“ (hebräisch Gehenna) zu lesen ist:

Das Wort „Gehenna“ stammt tatsächlich ursprünglich vom Namen eines Tales vor den Toren Jerusalem ab: Ge-Hinnom. Das ist das Fünkchen Wahrheit, auf das Rob Bell seine Theorie aufbaut. Die meisten Verschwörungstheorien haben irgendwo so ein letztes Fünkchen Wahrheit, an dem sie sich aufhängen.

Aber was man bei Rob Bell dann nicht mehr findet, sind die folgenden zwei Fakten:

„Erstens wird das Tal (in Quellen aus der Zeit Jesu) nicht mehr namentlich genannt; es verliert seinen Namen (…), und wir können nicht mehr erheben, wie es (zur Zeit Jesu) hieß.“.

Mit anderen Worten: Niemand dachte an dieses Tal, wenn Jesus von „Gehenna“ sprach. Dass dort eine Müllhalde existierte, ist übrigens ein Gerücht, das erst im Mittelalter entstand).

„Zweitens wird der alte hebräische Name des Tales, Gê Hinnom, vom Tal gelöst, zu Gehinnam aramaisiert, zu Geenna gräzisiert und in der neutestamentlichen Literatur zur wichtigsten Bezeichnung für die Hölle als Ort der Strafen nach dem Jüngsten Gericht, der auf Erden nicht mehr lokalisiert werden kann.“

Mit anderen Worten: Wenn Jesus von der Hölle sprach, dann wusste jeder, dass ein jenseitiger Ort der Strafen nach dem Jüngsten Gericht gemeint war.

Man kann diesen Faktencheck mögen oder nicht.

Man kann natürlich dem amerikanischen Prediger mehr glauben als der versammelten internationalen Bibelforschung.

Man muss dann aber auch damit leben, dass man für einen Bibelschwurbler gehalten wird und nicht für einen kritischen Bibelleser.

Natürlich ist damit nicht das letzte Wort gesprochen. Die vielen Corona-Verschwörungstheorien zeigen, dass Fakten in Kreisen von Schwurblern nicht viel zählen.

„Die Frage ist nicht, was wahr ist, sondern was der guten Sache dient.“

Nach diesem Motto bleiben viele Verschwörungstheorien und Bibelschwurbeleien auch dann attraktiv, wenn sie im Faktencheck durchgefallen sind. Warum das so ist, darum geht es in den nächsten Folgen.