
Diesmal beschert uns das Kalenderjahr wieder einmal drei davon: Diese ominösen freien Donnerstage im Frühsommer, von denen man nie so ganz genau weiß, warum und in welcher Reihenfolge man sie eigentlich feiert. Nur der Brückentag, der fällt immer zuverlässig auf den Freitag und lockt zum verlängerten Wochenende. Da ist es kaum ein Wunder, dass die Aussicht auf die zusätzlichen freien Tage den Blick verstellt für das, worum es eigentlich geht an diesen Feiertagen, die auf einen Donnerstag fallen.
Das Fest der Himmelfahrt Christi ist dabei noch das Älteste unter ihnen. Vierzig Tage nach Ostern, in diesem Jahr am 29. Mai, erinnert dieser Feiertag an eine biblische Erzählung aus der Apostelgeschichte des Lukas. Vierzig Tage nach seiner Auferstehung, so wird es dort berichtet, hat Jesus Zeit mit seinen Jüngerinnen und Jüngern verbracht, mit ihnen über das kommende Königreich Gottes gesprochen, ihnen den Heiligen Geist versprochen und sie ausgesandt, die Botschaft vom Glauben in der ganzen Welt zu verbreiten. Am Ende dieser Zeit versammelt er sie auf dem Ölberg, von dem aus man einen beeindruckenden Ausblick über die ganze Stadt Jerusalem und die angrenzende Wüste hat. Danach, so übersetzt es Luther,
„wurde er vor ihren Augen emporgehoben, und eine Wolke nahm ihn auf, weg vor ihren Augen. Und als sie ihm nachsahen, wie er gen Himmel fuhr, siehe, da standen bei ihnen zwei Männer in weißen Gewändern. Die sagten: Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und seht gen Himmel? Dieser Jesus, der von euch weg gen Himmel aufgenommen wurde, wird so wiederkommen, wie ihr ihn habt gen Himmel fahren sehen.“ (Apostelgeschichte 1,9-10)
Ein Fest mit biblischen Wurzeln
In der jüdischen Welt des ersten Jahrhunderts waren Erzählungen von Menschen, die in den Himmel aufgenommen werden, keine Seltenheit. Vom Propheten Elia etwa wird erzählt, dass er nicht starb, sondern von einem feurigen Wagen in den Himmel aufgenommen wurde (2. Kön 2,11). Noch einflussreicher aber war die biblische Figur des Henoch: Von ihm wird berichtet, dass er „mit Gott wandelte und dann nicht mehr gesehen wurde, weil Gott ihn zu sich genommen hatte“ (1. Mose 5,24). Diese Beschreibung faszinierte die Menschen der Antike so, dass in den Jahrhunderten vor unserer Zeitrechnung ein ganzes Genre frühjüdischer Literatur entstand, die darüber spekulierte, was Henoch wohl dort im Himmel alles gesehen und erlebt haben könnte. Abenteuerliche Visionen von himmlischen Welten werden da beschrieben. Engel begleiten Henoch durch den Himmel und erklären ihm die Geheimnisse von Gut und Böse, aber auch den Sinn der Machtkämpfe auf der Erde und alle kommenden Ereignisse der Zukunft. In der äthiopisch-orthodoxen Kirche ist das Buch Henoch, das wohl bekannteste solcher Bücher, bis heute Teil der Bibel und wird im Gottesdienst gelesen. Andere Bücher von Himmelsreisen biblischer Persönlichkeiten, wie etwa Jesaja oder Moses, erzählen ähnliches. Verglichen damit liest sich der knappe neutestamentliche Bericht von der Himmelfahrt Jesu eher nüchtern und sachlich. Vor allem erzählt er nicht, wie andere Texte dieser Zeit, von einem längst verstorbenen Helden der biblischen Vorzeit, sondern von einem Menschen der Gegenwart. Lukas betont am Anfang seiner Erzählung, dass er noch selbst mit Augenzeugen der Zeit Jesu zu tun hatte (Lukas 1,1-4). Das unterscheidet die neutestamentlichen Berichte grundlegend von anderen Himmelfahrtsgeschichten dieser Zeit. Lukas geht es hier nicht um Spekulationen über den Himmel, sondern darum, die ganz irdische Erfahrung der ersten Jünger festzuhalten: Der Jesus, dem sie so lange nachgefolgt waren und dessen Tod und Auferstehung sie in Jerusalem miterlebt hatten, war von jetzt an nicht mehr als Mensch bei ihnen. Und trotzdem blieb er bei ihnen, aber eben vom Himmel her, der unsichtbaren Wirklichkeit Gottes, die unserem Zugriff entzogen ist.
Ein Fest mit langer Tradition
Schon früh haben sich Christen in Jerusalem auf dem Ölberg in Jerusalem versammelt, um sich an diesen Moment zu erinnern. Königin Helena, die Mutter von Kaiser Konstantin, ließ hier eine prächtige Basilika errichten, deren Grundmauern noch heute dort zu sehen sind. Nur zwei andere Orte im Heiligen Land erhielten dieselbe Ehre: Der Ort der Geburt Jesu in Bethlehem und das leere Grab Jesu im Herzen Jerusalems. Geburt, Kreuzigung, Auferstehung und Himmelfahrt: Diese vier Stationen markierten für sie die wichtigen Eckpunkte aus dem Leben Christi. Die Pilgerin Egeria, eine mutige Christin aus dem 4. Jahrhundert, die sich auf eine Pilgerreise von Spanien aus ins Heilige Land machte, berichtet von den Feierlichkeiten, die sie dort miterlebte:
„Gleich nach dem Frühstück machten sich die Menschen aus Jerusalem auf und zogen den Ölberg hinauf, jeder so gut er konnte. Es gab wohl kaum einen Christen, der noch in der Stadt zurückblieb. Wenn sie oben angelangt sind, gehen sie zuerst zu dem Ort, vom dem aus Christus in den Himmel aufgefahren war. Man liest aus der Schrift vor und singt gemeinsam Lieder. Zwischendurch werden Gebete gesprochen und der Abschnitt aus dem Evangelium, der von der Himmelfahrt berichtet, wird vorgelesen. Danach, wenn es bereits Nachmittag wird, ziehen alle gemeinsam unter Hymnengesang zu der Kirche, die auf dem Ölberg erbaut ist. Hier ist auch eine Höhle, in der Jesus seine Apostel gelehrt hatte“ (Egeria, Pilgerreise 43,4)
Gottesdienst mit Himmelblick
Die Tradition der frühen Christenheit ist bis heute prägend geblieben: Auf dem Ölberg in Jerusalem sind noch viele weitere Himmelfahrtskirchen erbaut worden. Sogar eine Moschee gibt es, in der ein Felsen mit einem Fussabdruck Jesu gezeigt wird. Auch der deutsche Kaiser ließ es sich nicht nehmen, hier 1910 eine evangelische Kirche zu errichten, zusammen mit einem Krankenhaus, das bis heute ein wichtiger Anlaufort vor allem für die arabische Bevölkerung Jerusalems ist.
Ich erinnere mich noch immer gern an die vielen Male, an denen wir als Mitarbeiter des Christus-Treff Jerusalem und der evangelischen Gemeinde hier, im Garten der Kirche, mit malerischem Ausblick über die Wüste bis hinunter zum Jordan, den Gottesdienst am Morgen des Himmelfahrtstags gefeiert haben. Und dann anschließend noch lange nachdenklich in die Weite blickten, dort wo sich Himmel und Erde am Horizont berühren. Vielleicht ging es den Jüngern Jesu damals ja ähnlich. Die Tradition der Gottesdienste unter freiem Himmel jedenfalls ist schon längst keine Jerusalemer Spezialität mehr: Überall auf der Welt, und auch bei uns in Marburg, werden inzwischen an diesem Tag Gottesdienste im Freien gefeiert, in denen an diese biblische Erzählung erinnert wird. Ein schöner Brauch, der uns aus den meist dunklen Kirchenmauern herausholt und den Blick auf den Himmel freimacht.
Den Himmel in den Blick bekommen
Denn darum geht es ja: Den Blick für den Himmel öffnen. Und damit ist in der biblischen Tradition bekanntlich nicht das Weltall geeint oder die Luft, die unsere Erde umgibt, sondern die jenseitige Wirklichkeit Gottes. Das, was für unsere Augen und Ohren und unseren naturwissenschaftlichen Forscherdrang nicht zugänglich ist. Wenn die Bibel davon spricht, dass es außer unserer Erde, die wir sehen und erkunden können, auch noch den Himmel gibt, dann beschreibt sie damit die alte Menschheitserfahrung, dass da eine größere Wirklichkeit ist, die uns umgibt. Eine Welt, die für die Augen nicht sichtbar ist, aber sich dem Glauben erschließt. Dietrich Bonhoeffer hat diese Wirklichkeit in seinem berühmten Gedicht „Von guten Mächten“ aus dem Dezember 1944 so beschrieben: „Wenn sich die Stille nun tief um uns breitet, so lass uns hören jenen vollen Klang der Welt, die unsichtbar sich um uns weitet“. Das Himmelfahrtsfest will den Blick für diese unsichtbare Welt öffnen. Und gleichzeitig Himmel und Erde zusammenhalten.
Himmel und Erde zusammenhalten
Das Christentum hat in seiner langen Geschichte, und in seinen unterschiedlichen Schattierungen, oft das eine auf Kosten des anderen vernachlässigt: Es gab Zeiten, in denen war die Sehnsucht nach dem Himmel so groß, dass man das Leben hier auf der Erde für unwichtig hielt. „Unsere eigentliche Heimat ist im Himmel“, so sagt es der Apostel Paulus (Phil. 3,20). Also behandelte man die Erde wie einen vorübergehenden Warteraum, in dessen Gestaltung man weder viel Liebe noch viel Mühe investierte. Christentum konnte so zuweilen recht weltfremd und gesellschaftsfeindlich werden. Manchmal war aber auch das Gegenteil der Fall: Da warnte man vor allem Jenseitsglauben und versuchte stattdessen, den Himmel hier auf der Erde zu verwirklichen, sei es durch politischen Aktivismus oder durch religiöse Gesetzgebung. Gerade jetzt erleben wir in den USA wieder, wie bestimmte christliche Gruppierungen versuchen, die Tagespolitik zu dominieren mit ihren spezifischen Vorstellungen eines christlichen Staates. Beides aber ist ein Fehler: Sowohl die Weltflucht solcher Gruppen, die das Reich Gottes nur im Himmel suchen. Als auch die Himmelsvergessenheit derer, die das Reich Gottes mit irdischer Machtpolitik verwechseln. Jesus hatte in seinem berühmten Gebet mit guten Gründen beides miteinander verbunden: „Dein Reich komme, dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auch auf Erden“ (Matthäus 6,10). Dieses Gebet macht deutlich, dass Himmel und Erde in der Bibel weder miteinander verschmelzen, noch eins von beiden abgeschafft wird: Vielmehr wird diese Erde nur dann zum Guten verändert, wenn sie ihren Himmelsbezug behält und aus dem Gebet, nicht durch Machtpolitik, ihre Erneuerung erwartet. Das Himmelfahrtsfest hält deshalb den Blick offen für diese Himmelsperspektive.
Eine neue Art der Jesusnachfolge
Die Himmelfahrt Jesu bedeutet im Neuen Testament aber auch den Schritt hinein in eine neue Art der Jesusnachfolge: Die Jüngerinnen und Jünger Jesu hatten einige Jahre mit ihrem Meister und Herrn verbracht. Sie hatten ihn persönlich erlebt, wie er lehrte, Menschen heilte, und sich denen zuwandte, die seine Zuwendung brauchten. Sie konnten beobachten und lernen, nachfragen und miterleben. Aber das alles war zeitlich begrenzt. Es kam der Moment, nach Kreuz und Auferstehung, an dem die irdische Nachfolge Jesu nicht mehr möglich war. Dieser Moment wird in der Himmelfahrtserzählung beschrieben. Und gleichzeitig markiert dieser Moment eine andere, neue Art der Jesusnachfolge, die auch für uns heute, mit einem Abstand von zweitausend Jahren und viertausend Kilometern, ebenso möglich ist wie für die Nachfolger der ersten Generation. Die Jünger konnten Jesus zuhören, wenn er redete. Zu uns redet er, wenn wir in der Schrift lesen. Die Jünger saßen mit ihm am Tisch. Uns begegnet er im gemeinsamen Abendmahl. Die Jünger konnten mit ihm reden. Wir wenden uns an ihn im Gebet. In der Himmelfahrt entzieht sich Jesus dem unmittelbaren Zugriff seiner Jünger. Er entschwindet ihren Blicken, er ist nicht mehr so bei ihnen wie er bisher bei ihnen war. Und dennoch lässt er sie nicht allein: „Siehe, ich bin bei euch alle Tage, bis an das Ende der Welt“, hatte er noch kurz vorher zu ihnen gesagt (Mt 28,20). Der Bericht von der Himmelfahrt Jesu macht deutlich, wie beides zusammengehört: Die Erfahrung, dass Jesus nicht mehr greifbar und sichtbar in dieser Welt lebt. Und die Zusage, dass er doch jederzeit gegenwärtig ist. Unbegreifbar und unsichtbar. Der christliche Glaube ist deshalb nicht nur eine Erinnerungskultur an einen antiken Religionsstifter. Die Himmelfahrt Jesu sagt vielmehr aus: Dieser Jesus, der damals mit den Aposteln durch Galiläa lief, und der in Jerusalem am Kreuz für uns starb und wieder auferstand, ist heute auf eine andere Art gegenwärtig: Ihm nachfolgen, bedeutet deshalb nicht nur Erinnerung an Vergangenes, sondern Gemeinschaft mit dem unsichtbar gegenwärtigen Christus, der in seiner Gemeinde, in dieser Welt und in unserem Leben wirksam ist.
„Er sitzt zur Rechten Gottes“
Auch im christlichen Glaubensbekenntnis hat das Fest der Himmelfahrt seinen festen Sitz: „Aufgefahren in den Himmel“, heißt es dort, und: „Er sitzt zur Rechten Gottes, des Vaters“. Auch dieses Bild hat seine Wurzeln im Alten und Neuen Testament: Gleich mehrfach wird im Neuen Testament gesagt, Jesus sitze „zur Rechten Gottes“ (Mk 16,19; Luk 22,69; Apg 7,55; Römer 8,34; Epheser 1,20; Kolosser 3,1; 1. Petrus 3,22; Hebräer 8,1 und 12,2 ). Markus, der noch knapper als Lukas von der Himmelfahrt berichtet, verbindet das Bild mit der Himmelfahrt Jesu:
„Nachdem der Herr Jesus mit ihnen geredet hatte, wurde er aufgehoben gen Himmel und setzte sich zur Rechten Gottes.“ (Markus 16,19).
Und auch im Petrusbrief wird beides miteinander verbunden: „Christus … ist zur Rechten Gottes, aufgefahren gen Himmel, und es sind ihm untertan die Engel und die Gewalten und die Mächte“ (1. Petrus 3,22). Hinter diesem zentralen Bekenntnis des Neuen Testaments steht das alte jüdische Bild von einem himmlischen Thronsaal, in dem Gott als König der Welt regiert. Es findet sich schon in Psalm 110,1, und Jesus zitiert diesen Psalm mehrfach in Auseinandersetzungen um seine Person (Matthäus 22,44; 26,64;Markus 12,36; 14,62; Lukas 20,42; 22,69). Wenn Jesus also „zur Rechten Gottes“ sitzt, dann hat er damit Anteil an der Macht und am Königtum Gottes. Er selbst hatte in seinen Gleichnissen und Predigten immer wieder vom „Königreich Gottes“ gesprochen. Das Bild vom himmlischen Thron macht nun deutlich: Er selbst ist dieser König, von dem seine Gleichnisse handelten. Die Erzählung von der Himmelfahrt ist also auch ein Bekenntnis dazu, dass Christus regiert. „Jesus Christus herrscht als König, alles wird ihm untertänig“, heißt es in einem bekannten Gesangbuchlied, das häufig am Himmelfahrtstag gesungen wird (EG 123).
Gefährliche Machtfantasien?
Das Bild vom himmlischen König ist zunehmend umstritten in einer Zeit, in der die Machthaber und Despoten fast wie in früheren Zeiten wieder im Stil von Alleinherrschern regieren. Ist es eigentlich gut, dass wir ausgerechnet Jesus, den Zimmermann aus Nazareth, den Wanderprediger der Liebe und Demut, als König der Welt verehren, der auf einem himmlischen Thron sitzt? Ist Jesus nicht gerade das Gegenbild irdischer Machtmenschen? Laufen wir an Himmelfahrt nicht Gefahr, uns nur religiös einzureihen in ein Machtdenken, das am Ende nur zu Gewaltfantasien und Unterdrückung führt? Und die Frage ist richtig gestellt: Denn in der Geschichte der Kirche hat man nur allzu oft aus dem Bild der himmlischen Königsherrschaft Gottes irdische Machtansprüche für diejenigen abgeleitet, die sich auf ihn berufen. Gleich ob im Gottgnadentum des Mittelalters oder im religiösen Fundamentalismus der Gegenwart. Hier ist also in der Tat große Vorsicht geboten, das Bild vom himmlischen Thron nicht für eigene Zwecke zu missbrauchen.
Aber könnte man das Fest der Himmelfahrt nicht auch genau anders herum verstehen? Für mich persönlich jedenfalls ist gerade dieses Fest gerade ein Fest, das alle irdischen Machtansprüche und Herrschaftsfantasien radikal in Frage stellt: Wenn wir als Christen davon reden, dass Christus im Himmel regiert, und eben nicht als irdischer König, dann bekennen wir damit: Alle Herrschaftsansprüche sind unserem Zugriff entzogen. Niemand in dieser Welt hat das Recht, sich als Herrscher aufzuspielen oder diese Macht für sich zu beanspruchen. Gerade weil wir an einen himmlischen König glauben, müssen wir skeptisch und widerständig sein gegen alle, die sich hier auf der Erde als Könige oder Regenten aufspielen. Der Grundgedanke der Demokratie – zugegebener Maßen erst in der Moderne entstanden, und nur gegen großen Widerstand der christlichen Kirchen – ist deshalb, dass es auf Erden keine Regenten geben soll, sondern nur Volksvertreter. Und dass ihnen nicht Macht und Herrschaft, sondern Regierungsverantwortung übertragen wird. Die Rede vom Thron Christi im Himmel ist deswegen auch eine subversive Protestansage gegen irdische Herrschaften und Machthaber. Gerade jetzt und in unserer Zeit. Wo wir hingegen Gott entmachten, da rücken recht schnell die Machtansprüche von Präsidenten und Milliardären, von Kirchenfürsten und Starpredigern, von Influencern und Medienmachern, auf den freigewordenen Thron nach.
Jesus bezeichnet sich in den Evangelien immer wieder selbst als der „Menschensohn“. Eine Bezeichnung, die selbst äußerst skeptische Bibelforscher für historisch authentisch halten. Wir lesen den Titel oft so, als wollte Jesus damit seine schlichte Menschlichkeit bezeichnen. Aber dieser Name, „Menschensohn“ hat seinen Ursprung in einer Prophetie des Propheten Daniel (Daniel 7,13-15): Hier sieht der Prophet in einem Traum, wie „jemand wie eines Menschensohn mit den Wolken des Himmels“ vor den den himmlischen Thron Gottes kommt. Und ihm wird die Herrschaft über alle Völker der Erde und über alle Weltreiche übergeben, darunter auch Reiche, die sich kurz zuvor noch als die Herren der Welt aufgespielt hatten. Es ist diese Vision des Propheten Daniel, auf die sich Jesus immer wieder bezieht, die auch die biblische Wurzel der neutestamentlichen Himmelfahrtsberichte ist. Es geht also im Kern um eine Entmachtung der Mächtigen: Weil alle Macht jetzt dieser Welt entzogen ist und in den Händen dessen liegt, der durch Sanftmut und Liebe geprägt war und sich selbst den Menschensohn nannte. Das ist eine mutmachende Botschaft angesichts der selbsternannten Despoten, die in dieser Welt Macht beanspruchen.
Ich jedenfalls möchte das Himmelfahrtsfest deshalb auch in diesem Jahr wieder so feiern: Mit einem offenen Blick für die Wirklichkeit des Himmels, in der Nachfolge des unsichtbar gegenwärtigen Christus, und mit dem mutmachenden Wissen, dass die Mächtigen dieser Welt entthront sind, weil nur einer im Himmel regiert.
Quelle: Kirche in Marburg 5/2025, S. 4-7