Warum wir jetzt dringend mehr Medienkompetenz brauchen.
Mit nur wenigen Sätzen hat eine Instagram-Story meiner heimischen Lokalzeitung, der „Oberhessischen Presse„, in der letzten Woche versucht, die Hintergründe des Nahostkonfliktes zu erläutern. Und das nur vier Tage nach den barbarischen Morden der Oktoberpogrome in Israel.
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Dabei ging so ziemlich alles schief, was schief gehen kann. Und was nach meiner Beobachtung seit vielen Jahrzehnten schiefgeht in der Berichterstattung und Meinungsbildung über diesen komplexen Konflikt.
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Im Wochenrückblick wurde die Story als eine von 5 Top-Stories der letzten Woche herausgehoben. Mich hat sie nicht losgelassen, denn sie bringt vieles auf den Punkt, was ich im Zusammenhang mit dem Konflikt in Israel immer wieder als Probleme der Misskommunikation und Desinformation beobachte. Was wir jetzt wieder einmal unbedingt brauchen, ist die Kompetenz, Medien richtig zu lesen und auch zu beurteilen.
Die Story im Wortlaut
- Bild 1: „Woher kommt all die Gewalt? Der jüngste Angriff der Hamas ist ein Kapitel in einer jahrzehntealten Auseinandersetzung“
- Bild 2: „Die bisherige Bilanz: sechs Kriege, unzählige Attentate und Raketenangriffe sowie viele tausend Tote.“
- Bild 3: „Viele Palästinenser verloren aufgrund systematischer Besiedelung von Westjordanland und Ostjerusalem ihr Zuhause“
- Bild 4: „Wo liegen die Wurzeln des Nahostkonfliktes? Das Gebiet zwischen Jordan und Mittelmeer hat für Juden, Christen und Muslime gleichermaßen Bedeutung. Seit dem 16. Jahrhundert haben sich immer wieder jüdische Einwanderer in Palästina niedergelassen. Auch arabische Völker leben seit jeher in der Region.“
- Bild 5: „Wer ist die Hamas? Seit 2007 herrscht im Gazastreifen de facto die islamistische Palästinenserorganisation Hamas, mit der sich Israel immer wieder kriegerische Auseinandersetzungen geliefert hat. Die Hamas wird von Israel, der EU und den USA als Terrororganisation eingestuft.“
- Bild 6: „Beide Seiten beanspruchen Jerusalem als Hauptstadt, auch die Flüchtlingsfrage erschwert eine Lösung“
Auch wenn sie nur aus wenigen Sätzen besteht, zeigt diese vermeintliche „Hintergrundinfo“ fast alle typischen Strategien der Fehlinformation im Nahostkonflikt. Manchmal geschehen diese aus Versehen, aus Ahnungslosigkeit oder aus Unerfahrenheit. Manchmal aber auch aus Absicht.
Es ist gut, diese Strategien zu kennen, damit man sie erkennen kann, wenn sie einem wieder begegnen. Was sicher in den nächsten Tagen und Wochen immer häufiger geschehen wird.
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1. Verfälschung durch Verkürzung
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„Der jüngste Angriff der Hamas ist ein Kapitel in einer jahrzehntealten Auseinandersetzung“
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Was genau meint die Zeitung mit dem Wort „jahrzehntelang“? Wann beginnt ihrer Ansicht nach dieser Konflikt? Fast scheint es so, als wüsste die Zeitung nicht, dass schon 1929 (also lange vor der Gründung des Staates Israel) bei Pogromen in den jüdischen Orten Hebron und Safed ganz genau die gleichen mörderischen Szenen stattfanden wie jetzt in Kfar Azza, Kibbutz Be‘eri und an vielen anderen Orten. Frauen und Kinder wurden ermordet, zerhackt und verbrannt. Einfach deshalb, weil sie Juden waren, die in einem Land wohnten, wo man sie nicht haben wollte.
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Dass Wikipedia die Zahlen der ermordeten Pogromopfer von 1929 kommentarlos neben die Zahlen der Todesopfer anschließender britischer Polizeimassnahmen stellt, ist ebenfalls eine traurige Parallele zur Gegenwart.
Ja, man kann sicher darüber streiten, ob man den Konflikt in Israel bis in biblische Zeit (Entstehung des jüdischen Volkes), bis ins erste Jahrhundert (Vertreibung der Juden aus Jerusalem und Judäa), in die Frühzeit des Islam (Massenmord an Juden aus dem Stamm der Banu Qaynuka) oder bis ins 19. Jahrhundert (moderner rassistischer Antisemitismus, moderner Zionismus, arabischer Nationalismus) zurückverfolgen sollte. Aber ihn auf einige Jahrzehnte zu reduzieren, ist eine Verkürzung, die nicht nur irreführend ist, sondern die Geschichte deutlich verfälscht.
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2. Verfälschung durch Rhetorik der Gegenseitigkeit
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„Die bisherige Bilanz: sechs Kriege, unzählige Attentate und Raketenangriffe sowie viele tausend Tote.“
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Es ist ein Reflex in der Berichterstattung über diesen Konflikt, dass man immer versucht, scheinbar „Vergleichbares“ auf beiden Seiten gegeneinander aufzurechnen. Bild 2 folgt diesem Muster und spricht verallgemeinernd von „unzähligen Attentaten und Raketenangriffen“, ohne genauer zu benennen, wer hier die Attentate verübt hat oder wer wen mit Raketen angegriffen hat. Leser, die sich wenig mit dem Nahostkonflikt auskennen, vermuten hier irgendwie ein ausgeglichenes Verhältnis von vergleichbaren Gewalttaten auf beiden Seiten. Das aber ist grundfalsch.
Das komplizierte an diesem Konflikt ist es gerade, dass hier gerade nicht zwei gleiche, sondern zwei völlig ungleiche Konfliktparteien aufeinander treffen. Deswegen ist fast alles in diesem Konflikt einseitig, und nicht gegenseitig:
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- Auf israelischer Seite gibt es eine Armee mit Panzern, Flugzeugen und Bodentruppen. Auf palästinensischer Seite gibt es keine Armee. Also keine Gegenseitigkeit.
- Entsprechend gibt es nur auf palästinensischer Seite Opfer von Militärschlägen oder Luftangriffen. Also keine Gegenseitigkeit.
- Auf palästinensischer Seite gibt es dafür eine Vielzahl von durch die Regierung geförderten und als Nationalhelden gefeierte Terrorgruppen. Auf israelischer Seite gibt es keine solchen Gruppen. Die wenigen jüdischen Terrorgruppen, die es gibt, sind in Israel illegal. Deshalb gibt es Opfer von Terroranschlägen fast nur auf israelischer Seite. Also wieder keine Gegenseitigkeit.
- Israel kann die Grenzen des Gazastreifens und des Westjordanlandes abriegeln, die Palästinenser können aber nicht Israel abriegeln. Keine Gegenseitigkeit.
- Israel kontrolliert die Versorgung der Palästinenser mit Strom, Wasser und Lebensmitteln, die Palästinenser kontrollieren aber nicht die Einfuhr nach Israel. Keine Gegenseitigkeit.
- Diskriminierung von Arabern in Israel ist ebenfalls ein einseitiges Phänomen. Denn in den palästinensischen Gebieten gibt es keine Juden, die diskriminiert werden könnten. Würden sie dort leben, würden sie nicht diskriminiert, sondern mit hoher Wahrscheinlichkeit sehr bald getötet. Wieder keine Gegenseitigkeit.
- Minderjährige Palästinenser, die ohne Anklage in israelischer Untersuchungshaft sitzen, sind ein einseitiges Phänomen. Denn in palästinensischen Gefängnissen gibt es keine jüdischen Minderjährigen. Aus dem bereits genannten Grund. (Und nein: Geiselnahmen sind etwas grundsätzlich anderes als polizeiliche Verhaftungen). Auch hier also keine Gegenseitigkeit.
- Unnötige Schikanen an Checkpoints sind ein einseitiges Phänomen. Weil Palästinenser nach Israel einreisen dürfen, Israelis aber nicht in die palästinensischen Gebiete. Keine Gegenseitigkeit.
- Einseitig ist auch das erklärte Ziel der Hamas-Regierung, Israel vollständig zu vernichten. Nachlesen kann man es in der Charta der Hamas. Keine israelische Regierung hat je die Vernichtung der Palästinenser gefordert oder als Ziel verfolgt.
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Die Liste liesse sich weiter und weiter fortsetzen. Nahezu alles an diesem Konflikt ist also nicht gegenseitig, sondern einseitig. Und auch die Gewalt ist nicht gegenseitig, sondern immer asymetrisch.
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Das gilt auch für die „unzähligen Attentate und Raketenangriffe“, von denen meine Tageszeitung sprticht:
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- Die weltweit wichtigste Dokumentationstelle der Terrorismusforschung (MDT) verzeichnet für die Jahre 1970-2020 in Israel, dem Westjordanland und Gaza 127 arabische Selbstmordattentate gegen Juden, aber kein einziges jüdisches Selbstmordattentat gegen Palästinenser. Also auch hier keine Gegenseitigkeit.
- Insgesamt verzeichnet die Datenbank für diesen Zeitraum mehr als 900 tödliche Terroranschläge von Palästinensern gegen jüdische Zivilisten, aber nur 12 tödliche Terroranschläge von Juden gegen arabische Zivilisten. Wieder keine Gegenseitigkeit.
- Es sind aber nicht nur die reinen Zahlen, die sich unterscheiden. Es ist vor allem auch der Umgang mit solchen Attentaten in der Gesellschaft: In Israel hat die Regierung jüdische Terrorakte regelmäßig als Verbrechen verurteilt. Die Täter wurden, soweit sie noch lebten und überhaupt bekannt waren, strafrechtlich verfolgt. Die palästinensischen Regierungen dagegen haben die jeweiligen Attentäter regelmäßig als Nationalhelden gefeiert und finanzielle Unterstützung für Attentäter und ihre Familien ausgelobt. Auch hier keine Gegenseitigkeit.
- Das Gleiche gilt für die „unzähligen Raketenangriffe“: Nein, auch hier gibt es keine Gegenseitigkeit. Wahllose Raketenangriffe auf israelische Wohngebiete, die das Ziel haben, möglichst viele zivile Opfer zu treffen, sind eben nicht dasselbe wie gezielte Luftangriffe auf Terrorzellen oder Kommandozentralen des Terrorismus, bei denen zivile Opfer nach Möglichkeit vermieden, aber doch notfalls in Kauf genommen werden. Und obendrein durch die Hamas-Strategie menschlicher Schutzschilde bewusst herbeigeführt werden. Raketen
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Die pauschale Formulierung „unzählige Attentate und Raketenangriffe“ in meiner Tageszeitung verwischt alle diese Unterschiede und Einseitigkeiten und trägt damit nicht zur Aufklärung über den Konflikt, sondern zur Verschleierung seiner Hintergründe bei.
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Also: Ja, es gibt Gewalt und auch Unrecht, Täter und auch Opfer auf beiden Seiten dieses Konfliktes. Man darf Gewalt auf beiden Seiten benennen.
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Aber es ist ein fataler Fehler, die unterschiedlichen Formen der Gewalt und des Unrechts gleichzusetzen oder gegeneinander aufzurechnen. Denn sie unterscheiden sich in Ausmaß, Schwere und dem Grad ihrer moralischen Umstrittenheit. In jedem einzelnen Fall sind Täter und Opfer der Gewalt und des Unrechts eben nicht gleichmässig auf beiden Seiten, sondern einseitig auf einer Seite verteilt.
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Man darf unnötige oder übertriebene Polizeigewalt beklagen und auch kritisieren. Man darf sogar unterschiedlicher Meinung darüber sein, ob Krieg überhaupt ein geeignetes Mittel zur Konfliktlösung ist. Wer aber den brutalen Mord an Hunderten von Frauen und Kindern als eine berechtigte Form des Widerstandes oder des politischen Aktivismus rechtfertigt oder den Opfern die Schuld an diesen Verbrechen gibt, der hat seinen moralischen Kompass verloren und den Grundkonsens jedes zivilisierten Diskurses über Gewalt und Konfliktlösung verlassen und macht sich selbst zum Mittäter.
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Der Versuch, scheinbar eine journalistische Neutralität oder Objektivität zu zeigen, indem man unterschiedslos von „Gewalt auf beiden Seiten“, von einem „Kreislauf der Gewalt“, einer „Spirale der Gewalt“, „gegenseitigem Hass“ oder „gegenseitiger Gewalt“ spricht, ist also eigentlich eine Strategie zur Relativierung von Terror und Verbrechen. Wer diese Strategie nutzt oder sich von ihr in Dienst nehmen lässt, solidarisiert sich nicht mit der palästinensischen Bevölkerung, sondern mit dem palästinensischen Terror.
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Zu Recht verläuft an dieser Stelle die international anerkannte, und auch von unserer Bundesregierung geteilte, Unterscheidung zwischen legitimer Kritik an israelischer Politik und dem Verbrechen des israelbezogenen Antisemitismus.
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3. Verfälschung durch einseitige Schuldzuweisungen
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„Woher kommt all die Gewalt? … Viele Palästinenser verloren aufgrund systematischer Besiedelung von Westjordanland und Ostjerusalem ihr Zuhause“
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Es ist bekannt, dass der Nahostkonflikt ein hochkomplexes Phänomen ist, bei dem viele historische, religiöse, wirtschaftliche und politische Ursachen eine Rolle spielen. Dass meine Tageszeitung bei ihrer Suche nach Ursachen ausgerechnet die „systematische Besiedelung des Westjordanlandes und Ostjerusalems“ als einzigen Aspekt des Konfliktes auswählt und benennt, kann ich mir nur so erklären, dass hier entweder journalistische Unerfahrenheit oder gezielte Propaganda vorliegt.
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Als die israelische Regierung im Jahr 2005 alle jüdischen Siedlungen im Gazastreifen räumen liess, und dabei das Militär sogar gegen die eigene jüdische Bevölkerung einsetzte, hätte man erwarten können, dass in Gaza mit dem vollständigen Stopp des israelischen Siedlungsbaus auch der palästinensische Terror vollständig endet. Das Gegenteil war aber der Fall: Die Auflösung der Siedlungen führte sofort zu einem erheblichen Anstieg der Hamas-Gewalt. Woher also kommt die Ansicht, dass ausgerechnet die Existenz der Siedlungen Ursache für die antijüdische Gewalt sei?
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Schon die Jahrtausende lange Geschichte des Judenhasses und der Gewalt gegen Juden, die nicht nur in Europa, sondern auch in der arabischen Welt lange vor der Staatsgründung Israels bestand, macht deutlich, dass die Frage „Woher kommt all die Gewalt?“ eine völlig andere Antwort erfordert als diese.
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Dabei geht es mir hier gar nicht darum, dass das Phänomen des jüdischen Siedlungsbaus hier völlig unterkomplex und damit falsch dargestellt wird. In den allerwenigsten Fällen verlieren Palästinenser ihr Zuhause, wenn irgendwo ein jüdisches Haus gebaut wird. Es ist wirklich komplizierter als das.
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Schlimmer ist die Vertauschung von Tätern und Opfern, die hier unter der Hand geschieht: Das Wohnen von Juden in einem Land, deren Bevölkerung sie dort nicht haben will, soll die Ursache (oder sogar Berechtigung?) für die hundertfache Ermordung von Juden liefern? Juden, von denen die allermeisten zudem weder im Westjordanland noch in Ostjerusalem wohnten? Diese als Hintergrundinfo getarnte Unterstellung ist an Zynismus kaum zu überbieten. Das sollte selbst dann gelten, wenn man ein Gegner der israelischen Siedlungspolitik ist. Leider ist sie in der Berichterstattung über diesen Konflikt aber nahezu allgegenwärtig.
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Nein, liebe Lokalzeitung: Die Ursache für Gewalt gegen Juden (sei es in Deutschland, im Iran, in Israel oder anderswo auf der Welt) liegt nicht in der Tatsache, dass Juden Häuser bauen an Orten, an denen es anderen nicht passt. Es gab sie schon lange vorher. Sie hat sich im Lauf der Jahrhunderte immer wieder neue Gründe zu ihrer Rechtfertigung gesucht. Das Juden uns Lebensraum wegnehmen in einem Land, das „uns gehört“, war schon vor hundert Jahren ein Grund für Pogrome gegen Juden. Der Bau von jüdischen Wohnungen ist nur eine weitere in einer langen Reihe falscher Rechtfertigungen für antisemitische Gewalt und Mord an Juden.
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4. Verfälschung durch Neuschreiben der Geschichte
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„Seit dem 16. Jahrhundert haben sich immer wieder jüdische Einwanderer in Palästina niedergelassen. Auch arabische Völker leben seit jeher in der Region.“
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Nein, liebe Tageszeitung: Juden haben sich in Israel nicht erst seit dem 16. Jahrhundert niedergelassen, sondern schon seit Jahrhunderten vor unserer Zeitrechnung. Darüber kann nicht nur die Bibel, sondern jedes Geschichtsbuch und auch jedes Handbuch des Antisemitismus Auskunft geben. Und arabische Völker leben nicht schon „seit jeher“ in Israel. Auch darüber informiert jedes Geschichtsbuch. Die arabische Eroberung des Landes Israel begann im 7. Jahrhundert nach Christus unter Kalif Omar ibn-al Khattab.
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Meine Lokalzeitung hat sich hier unkritisch und ungeprüft das Narrativ der Hamas zu eigen gemacht, der zufolge arabische Volksgruppen in Israel „Ureinwohner“ sind, während das Judentum als eine moderne Kolonialmacht der westlichen Welt dargestellt wird, die keinerlei Wurzeln in diesem Land hat.
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Ein solcher Fehler darf einer seriösen Tageszeitung nicht passieren. Dafür gibt es Herausgeber und Chefredakteure, die im Blick haben sollten, was ihre Zeitung veröffentlicht. Zumindest, wenn es zu einem derart bedeutsamen zeitgeschichtlichen Moment und zu einem derart zentralen Thema geschieht.
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5. Verfälschung durch eine Rhetorik der Verharmlosung
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Drei Dinge erfahren wir hier über die Hamas. Erstens: Sie regiert im Gazastreifen. Zweitens: Israel liefert sich kriegerische Auseinandersetzungen mit ihr. Und drittens: Israel, EU und die USA stufen die Hamas als Terrororganisation ein.
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Nur vier Tage nach dem brutalsten Massaker an Juden seit dem Holocaust wird – in einem Storybeitrag mit der Überschrift „Wer ist die Hamas?“ mit großer Sorgfalt jede Aussage über Terrorakte der Hamas vermieden.
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- Wir erfahren, dass die Hamas im Gazastreifen regiert. Wir erfahren aber nicht, dass sie diese Regierung durch einen blutigen Putsch, bei dem sie auch viele Mitglieder der Regierungspartei Fatah grausam ermordete, an sich gerissen hat und diese Regierung von keinem Staat der Welt anerkannt ist.
- Wir erfahren, dass „Israel sich kriegerische Auseinandersetzungen liefert“. Wieder einmal scheint es nur einen Akteur zu geben, der hier „liefert“.
- Wir erfahren nicht, dass die Hamas die Verantwortung für die Massaker der Pogrome am 7. Oktober ganz offiziell und mit großem Stolz übernommen hat
- Wir erfahren nicht, dass die Hamas sich zu unzähligen weiteren Terrorattentaten mit unzähligen Todesopfern immer wieder öffentlich bekannt hat und die Attentäter in ihren Kindergärten und Grundschulen als Nationalhelden und Vorbilder feiert.
- Wir erfahren nicht, dass die Hamas in ihrer Gründungscharta nicht nur die völlige Auslöschung Israels fordert (Präambel), sondern auch den antisemitischen Ur-Mythos der „Protokolle der Weisen von Zion“ als historische Tatsache verkauft (Artikel 2), den Juden die Schuld am 1. und 2. Weltkrieg gibt (Artikel 22), die Rotary Clubs als Instrument der jüdischen Weltverschwörung bezeichnet (Artikel 22), und durch Verweis auf ein Zitat des Propheten Mohammed Muslime weltweit dazu aufruft, Juden zu bekämpfen und zu töten, „so lange, bis sogar die Steine und Bäume, hinter denen sich Juden verstecken, rufen werden: „Oh Muslim, hinter mit versteckt sich ein Jude, komm und töte ihn!“ (Artikel 7).
- Stattdessen erfahren wir nur, dass die Hamas „von Israel, der EU und den USA als Terrororganisation eingestuft“ werde.
Warum vermeidet meine Lokalzeitung hier den an sich so einfachen Satz: „Die Hamas ist eine Terrororganisation“? Oder auch: „Die Hamas hat sich zu zahlreichen Terroranschlägen bekannt, zuletzt auch zu den Pogromen vom 7. Oktober“?
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Die Antwort kann nur lauten: Die Zeitung möchte es aus Gründen der journalistischen Objektivität oder Neutralität vermeiden, die hundertfachen Morde vom 7. Oktober und alle anderen Attentate als „Terrorakte“ zu bewerten. Stattdessen stellt sie die Einstufung als „Terror“ als eine Bewertung einiger weniger westlicher Regierungen dar. Eine Bewertung, die man dann offenbar mit gutem Gewissens in Frage stellen oder ablehnen kann.
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Auch hier schließt sich meine Zeitung wieder unkritisch dem Narrativ der Hamas an: Es handelt sich bei den Massakern nicht um Terroranschläge, sondern um eine legitime Art der politischen Willensäußerung, des aktiven Widerstands oder der Kriegsführung. Dieses Narrativ ist in der letzten Woche auf unzähligen Großdemonstrationen weltweit, im Iran und vielen anderen, mehrheitlich islamischen Ländern lautstark vertreten worden. Leider auch in Berlin und in Frankfurt.
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Möchte sich meine Tageszeitung wirklich diesem Narrativ anschließen? Oder möchte sie vielleicht auch nur eine (menschenverachtende) „Neutralität“wahren, der zufolge es eben Ansichtssache ist, ob man die barbarischen Gewaltakte der Hamas als Akte des Terrors oder als legitime Akte des Widerstands bewertet?
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Ich mag mir nicht vorstellen, dass es so ist. Ich hoffe, dass hier ein unerfahrener Social-Media-Beauftragter der Zeitung eine Formulierung übernommen hat, ohne wirklich zu ahnen oder zu verstehen, was es mit dieser Formulierung auf sich hat. In jedem Fall gilt aber auch hier: Die herausgeberische Sorgfalt hätte es verhindern müssen, dass so etwas passiert. Es sei denn, die Zeitung möchte tatsächlich vermeiden, die Taten des 7. Oktober als Terrorakte zu bezeichnen.
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6. Verfälschung durch selektive Information
Möglicherweise werden die Herausgeber meiner Lokalzeitung zur Erklärung dieser unsäglichen Instagram-Story darauf hinweisen, dass die Story lediglich einige Sätze aus einem deutlich längeren Artikelbeitrag ausgewählt und zitiert hat, der in der Online-Ausgabe der Zeitung (und möglicherweise auch der Printausgabe, ich habe das nicht überprüft) erschienen ist. Und dass dieser Artikel wiederum zu großen Teilen auf Archivmaterial des RND-Netzwerks beruhte.
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Allerdings würde mich diese Erklärung nicht beruhigen. Im Gegenteil: Sie macht die Sache noch schlimmer. Und das gleich aus mehreren Gründen. Zum einen muss ich befürchten, dass das RND-Material nicht nur in meiner Lokalzeitung in Marburg, sondern auch in vielen anderen Orten Deutschlands Verwendung findet. Denn auch in der Langfassung lässt der Artikel viel zu wünschen übrig.
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Zum zweiten aber muss der Tageszeitung doch bewusst sein, dass viele Menschen, vor allem jüngere Menschen, ihre Informationen über den Israelkonflikt eben nicht durchs Zeitunglesen beziehen (egal ob auf Papier oder Online), sondern eben die kurze Form der Instagram-Story bevorzugen. Es müsste also klar sein, dass bei der Erstellung solcher Storys nicht weniger, sondern mehr Sorgfalt angewandt werden sollte als bei der Printausgabe.
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Zum dritten aber – und das ist wirklich schlimm – scheint es niemandem in der Redaktion aufgefallen zu sein, wie gerade die selektive Auswahl nur einzelner weniger Sätze zu einer völligen Verfälschung der Inhalte beigetragen hat. War das Versehen oder Absicht?
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Ein Beispiel: Im Originaltext des Zeitungartikels heißt es: „Bereits 1000 Jahre vor unserer Zeitrechnung entstanden dort (im Gebiet des heutigen Israel) jüdische Siedlungen. Seit dem 16. Jahrhundert ließen sich zudem immer wieder jüdische Einwanderer in Palästina nieder, das 1516 zur Provinz des Osmanischen Reiches wurde. Aber auch arabische Völker leben seit jeher in der Region“. Schon diese Zusammenfassung des RND ist recht schräg, aber naja. Durch Weglassung des ersten Satzes wird sie nun aber in ihr völliges Gegenteil verkehrt – und die Präsenz von Juden in Israel zu einem Phänomen der Neuzeit. Eine Darstellung der Geschichte, wie sie dadurch nun auch der Hamas-Ideologie entspricht.
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Es gäbe viele weitere Beispiele dafür, wie der ausführliche Beitrag des RND-Netzwerks durch die gezielte Auswahl einzelner Sätze verfälscht und dem Narrativ der Hamas angeglichen wurde. Leider ist auch das nur ein weiteres Beispiel für ein Phänomen, was uns in der Berichterstattung über den Israel-Konflikt immer wieder begegnet. Es ist die Auswahl von Information, die über den Aussagewert entscheidet. Und wie dieses Beispiel zeigt, können selbst „an sich richtige“ Einzelaussagen, wenn sie entsprechend ausgewählt und ihres Kontextes beraubt werden, zu einer völlig falschen Aussage führen.
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Neutral bleiben ist die falsche Antwort
Mir geht es in diesem Zwischenruf nicht darum, den Israelkonflikt umfassend zu erklären oder zu analysieren. Auch ich habe einseitig Informationen ausgewählt und durch meine Formulierungen Stellung bezogen. Ich bin auch ohnehin überzeugt, dass „Objektivität“ oder „Neutralität“ in so einem Konflikt weder möglich noch angebracht ist. Ich versuche Unrecht zu benennen, wo ich Unrecht sehe. Ich versuche dabei aber immer deutlich zu unterscheiden, um welche Art von Unrecht es sich handelt. Und nein: Es ist nicht egal, und nicht jede Art von Unrecht ist gleich. Ich versuche auch Gewalt zu benennen, wo ich sie sehe. Aber auch das ohne eine (immer falsche und immer fatale) Gegenüberstellung oder Aufrechnung von „gegenseitiger“ Gewalt. Und ja, ich gehöre zu denen, die gerechtfertigte Gewalt (z.B. zur Terrorbekämpfung) von ungerechtfertigter Gewalt (z.B. bei Terroranschlägen) unterscheidet. Und ich weiß, dass andere das nicht tun.
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Als evangelischer Pfarrer und Dozent bete ich auch für Menschen in diesem Konflikt. Für Täter und für Opfer. Für Übeltäter, die aus Hass und Ideologie töten, ebenso wie für Täter, die aus Selbstverteidigung und zum Schutz ihres Landes töten. Ich unterscheide aber auch hier das eine vom anderen deutlich. Ich bete auch für Opfer. Für Opfer des Terrors und für Opfer des Krieges. Für unschuldige Opfer und für schuldige Opfer. Aber auch hier hüte ich mich davor, sie alle in einem Wort zusammenzufassen und damit Täter zu Opfern zu machen.
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Es fällt mir oft schwer, für Übeltäter zu beten. Sei es um Vergebung, um Besserung oder um Umkehr. Aber es ist etwas, was ich aus meiner Bibel, aus meiner christlichen Tradition und im Hören auf Jesus von Nazareth gelernt habe. Ich beobachte aber auch die problematische Tendenz in meiner Kirche (und den Kirchen weltweit), in ihren Aufrufen zum Gebet und in ihren Formulierungen von Gebeten die Unterschiede zwischen Tätern und Opfern, zwischen Angreifern und Verteidigern, zwischen Terroristen und Soldaten, ja auch zwischen Terroropfern und Kriegsopfern durch schwammige und vermeintlich „neutrale“ Formulierungen zu verwischen. Hier wünsche ich mir deutlich mehr Sensibilität, Feingefühl und Rückgrat.
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Auch Gebete werden leider viel zu oft in den Sog der politischen und ideologischen Propaganda hineingezogen. Sie können das aber nicht vermeiden, indem sie sich auf vermeintlich „neutralen Boden“ oder auf den immer wiederkehrenden Reflex zurückziehen, die „Gegenseitigkeit“ zu betonen. Ja, man darf für Feinde und auch für Übeltäter beten. Man darf sie dabei aber auch als Feinde und als Übeltäter bezeichnen und sollte das auch tun.
Man soll die Feinde sogar lieben lernen, was in diesen Tagen wie eine zynische und unzumutbare Forderung klingt. Es ist deshalb keine Forderung, die man anderen vorhalten oder von anderen verlangen sollte. Es ist keine Aufforderung, den mahnenden Zeigefinger zu erheben. Schon gar nicht als Christ aus Deutschland gegenüber Juden in Israel. Die Forderung, seine Feinde zu lieben, ist eine Forderung, die man zuallererst selbst hören sollte, und dann eine Aufgabe, mit der man in seinem Leben nicht fertig wird.
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Ja, man sollte für den Frieden beten. Aber man sollte auch für Sicherheit beten. Vielleicht lässt sich das Ziel der Sicherheit sogar kurzfristig besser erreichen als das weitreichendere Ziel des Friedens.
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Medienkompetenz ist dringend nötig
Ich schreibe diesen Zwischenruf auch nicht deshalb, um meiner Tageszeitung Antisemitismus vorzuwerfen oder eine grundsätzliche Medienschelte vorzunehmen. Wie gesagt, ich hoffe und gehe davon aus, dass es sich hier um ein Versehen eines unerfahrenen Social-Media Beauftragten handelt, der von Chefredaktion und Herausgeberschaft vermutlich gar nicht gegengecheckt wurde. Das ist zwar keine Entschuldigung, und angesichts des historischen Ausmaßes dieser Pogrome ein Fehler, der nicht hätte passieren dürfen.
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Mir geht es aber nicht um Anklage, sondern darum, was wir daraus lernen können. Was hier passiert ist, ist in der letzten Woche in Deutschland vermutlich tausendfach passiert. Über die Welt ganz zu schweigen. Die Berichterstattung (und Meinungsbildung) ist nicht nur durch die Komplexität des Israelkonfliktes herausgefordert, sondern darüber hinaus auch durch das zunehmende Phänomen eines zurückkehrenden Antisemitismus in Deutschland, der zu verzerrten Wahrnehmungen und Darstellungen der politischen und historischen Realitäten führt. Wenn dann noch versucht wird (und es ist wohl unvermeintlich), diese doppelte Problematik auf die Kürze einer Instagram-Story herunterzudampfen, dann muss das zur Katastrophe führen. Es wird auch in den nächsten Tagen und Wochen immer wieder passieren, und es wird immer schwerer, in der Vielzahl der journalistischen, politischen, religiösen, kirchlichen und medialen Stellungnahmen die wenigen Worte der Weisheit und der Vernunft zu hören. Mein Zwischenruf hier gehört sicher nicht dazu. Dazu ist er zu spontan und auch nur auf eine kleine lokale Momentaufnahme des Mediendschungels begrenzt.
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Ich formuliere aber abschließend ein paar Wünsche, vor allem für Instagram-Nutzer, für einen besonnenen Umgang mit Informationen und Meinungen, die in diesen Tagen auf uns einprasseln. Auch die sind nicht vollständig, sondern an meinen sechs oben formulierten Beobachtungen orientiert.
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- Versuche nicht nur den Ausschnitt zu sehen, sondern informiere dich über die ganze Geschichte. Instagram fördert die Reduktion komplexer historischer Zusammenhänge auf wenige medienwirksame Fakten. Das muss zu Verfälschungen führen.
- Sei skeptisch gegenüber einseitigen Schuldzuweisungen. Es gibt viele Faktoren, die in diesem Konflikt eine Rolle spielen. Bei der Suche nach Ursachen solltest du weder die Schuld nur „auf einer Seite“ suchen, noch pauschal von „Schuld auf beiden Seiten“ sprechen. Sondern du solltest im Einzelfall genau hinschauen, wer wirklich an wem schuldig wird und in welcher Weise. Denn da gibt es große Unterschiede.
- Widerstehe dem Reflex, von „Gegenseitigkeit“ zu sprechen. Rechne Opfer auf beiden Seiten des Konfliktes nicht einfach gegeneinander auf, sondern lerne zu unterscheiden zwischen Terror und Polizeigewalt, zwischen gezielten Attentaten auf Zivilisten und ungewollten zivilen Opfern. Informiere dich über die vielen Asymmetrien und Ungleichheiten in diesem Konflikt und vermeide die Rhetorik der Gleichmacherei.
- Sei vorsichtig mit vermeintlichen „historischen Fakten“. Ohne Kontext, und durch Weglassen von entscheidenden anderen Fakten, kann jede beliebige Behauptung zu einer Falschinformation werden. Eine gute Kenntnis der Geschichte hilft, Faktenbehauptungen in einen größeren Zusammenhang einzuordnen.
- Lass dich nicht auf Versuche ein, Morde, Pogrome, Massaker und Terrorattacken durch eine Rhetorik der Verharmlosung zu relativieren. Es gibt derzeit die weltweite Bestrebung, islamistischen Terror als legitimen Ausdruck politischen Widerstandes sprachlich neu zu etikettieren. Ebenso soll auch die Massenvernichtung von Juden wieder als Mittel der Politik hoffähig gemacht werden. Stelle dich solchen Versuchen aktiv entgegen und tritt dafür ein, dass heimtückischer Mord, auch wenn er aus politischer Überzeugung geschieht, weiterhin als „Terrorismus“ bezeichnet wird.
- Sei dir bewusst, dass gerade Instagram (ganz zu schweigen von „X“) durch seine Kürze und seine Nähe zur Unterhaltungskultur fast immer zu einer unzulässigen Verkürzung zwingt. Verkürzung gerät aber leicht zur Verfälschung. Deshalb sei behutsam mit dem, was du sagst. Aber sei dennoch klar in deiner Haltung gegen Terror und Antisemitismus. Auch dann, wenn er sich als Solidarität verkleidet.
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Damit habe ich wahrscheinlich nur einen Funken dessen gesagt, was nötig wäre zu sagen und was richtig wäre zu sagen. Und vermutlich bin ich selbst in die Falle getappt, jede Menge Einseitigkeiten und vielleicht sogar Unwahrheiten zu äußern. Es ist eine Momentaufnahme, aus einem Moment geboren. Aber auch Teil einer längeren Medienerfahrung in diesem Konflikt.
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Möge Gott es schenken, dass der eine oder die andere dennoch aus meinen Zeilen etwas Gutes mitnimmt, für den Umgang mit der Flut der Medien und Meinungen in unserem Land, für seine Haltung im Israelkonflikt und auch für den Einsatz gegen Judenhass und Antisemitismus bei uns in Deutschland.