Es ist der letzte Kilometer beim jährlichen Stadtmarathon: Die Läufer rennen auf das Ziel zu, der Wegrand ist gesäumt von Schaulustigen, Fans und Familie. Von links und von rechts feuern sie die Läufer an: „Du schaffst das!“, „Halt durch!“, „Du bist Spitze!“. Wasserbecher und Energieriegel werden den Läufern zugesteckt, Applaus begleitet ihren Weg, auf der Zielgeraden fliegt dann noch Konfetti. Und die Läufer laufen diese letzten Meter mit doppelter Kraft.
Es ist vielleicht ein ungewöhnliches Bild, aber vielleicht ein treffendes für das, was die Bibel unter „Segen“ versteht. In der griechischen Originalsprache der Bibel bedeutet das Wort Segen „Jemandem Gutes zusprechen“: Da spricht jemand gute Worte über mich aus oder in mein Leben hinein. Und das sind nicht nur leere Worte, sondern Worte, die etwas bewirken. Die mir Kraft geben, mich anfeuern, mir gut tun. Worte, die das bewirken, was sie aussprechen.
In der Bibel ist es meistens Gott, der uns segnet. Schon am Tag ihrer Schöpfung sieht er die Menschen an und sagt: „Sehr gut!“. Schon das ist ein Wort des Segens. Und dann heißt es ausdrücklich: „Und Gott segnete sie.“ Und dieser Segen ist in der Bibel, wie alle Worte Gottes, nicht nur leeres Gerede. Sondern er bedeutet Gesundheit, Nahrung, Kinder, Wohlergehen, Frieden und gelingende Beziehungen. Solchen handfesten Segen spricht Gott durch die ganze Bibel hindurch Menschen zu.
Besonders bekannt ist der Segen, den die Priester im alten Israel, aber auch Pfarrer bis heute am Ende eines Gottesdienstes mit erhobenen Händen über die Menschen aussprechen: „Der Herr segne dich und behüte dich, der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig, der Herr wende dir seinen Blick freundlich zu und gebe dir seinen Frieden“.
Dieses Segenswort ist übrigens auch das älteste Stück Bibel, das heute noch erhalten ist. Es wurde 1979 bei Ausgrabungen in Jerusalem in einem alten Grab aus dem 8. Jahrhundert vor Christus gefunden. Der Segensspruch war auf einem kleinen , zusammengerollten Stück Silber eingraviert. Ein schönes Bild dafür, wie wertvoll solche Worte sind, und wie sie uns im Leben und im Sterben begleiten können.
Segen kann man aber nicht nur empfangen, sondern auch weitergeben: In der Bibel etwa legen Vätern ihren Kindern die Hände auf uns segnen sie. Jesus forderte dazu auf, die Feinde zu segnen, anstatt über sie zu fluchen. Und diese Anregung wird in den Briefen der ersten Christen gleich mehrmals wiederholt. Segen ist wie ein Geschenk, das man gleichzeitig empfangen und weitergeben kann. Gott sagte einmal zu Abraham: „Ich werde dich segnen, und du sollst für andere ein Segen sein“.
Denken Sie einmal darüber nach, wo Sie in ihrem Alltag andere Menschen segnen können. Vielleicht im Stillen, ohne dass es jemand hört. Vielleicht aber auch ganz offen, indem sie jemandem einfach mal Gutes zusprechen. Besonders da, wo es keiner erwartet: Am Arbeitsplatz, an der Kasse im Supermarkt oder auch mal mitten im Streit. Und vielleicht werden sie merken, wie solcher Segen dann auch zu Ihnen zurückkommt.
Quelle: Entscheidung 4/2015, S. 41 (183 kB)
(Original-Artikel hier als PDF herunterladen).